„So will Google, so gut es geht, Trefferlisten abschaffen. Es passt nicht zur mobilen Nutzung mit Spracheingabe, wenn sich der Benutzer durch eine Ergebnisliste klicken muss.“ So erschienen in der c’t 16 vom 11.7.2015 in einem Artikel über Sprachassistenten wie Google Now, Siri, Cortana und Co. Droht uns also wirklich eine Suchrevolution, in der uns Google nun direkt diktiert, was denn die Antwort auf unsere Suche ist? Bisher hatte man ja immerhin noch die Wahl zwischen den angezeigten Ergebnissen, wird diese uns nun auch noch genommen? Und ist das wirklich im Sinne des Nutzers? In diesem Artikel möchte ich den Blick in die Zukunft wagen und mit euch diskutieren, welche Auswirkungen den der Wegfall der bekannten Suchergebnislisten hätte, wer davon profitiert und wen es am härtesten treffen würde.
Inhalt
Sprachassistenten sind die Zukunft
Machte man sich am Anfang noch über Apple’s Siri lustig, könnten die neuen Sprachassistenten schon bald unseren Alltag komplett verändern. Dabei nehmen wir schon heute regelmäßig den Dienst einer „sprechenden Büchse“ in Anspruch. Oder wer ist das letzte Mal mit einer Papierkarte Auto gefahren? Bei Navigationsgeräten sind digitale Assistenten Gang und Gebe, weil sie für ihr Anwendungsgebiet genau das machen, was man sich wünscht. Die neuen Sprachassistenten Google Now, Siri und Cortana kämpfen hingegen noch damit, dass sie kein richtiges Anwendungsgebiet gefunden haben, bzw. auf dem Anwendungsgebiet noch zu limitiert sind. Laut dem c’t Artikel konnte Google Now zum Start nur in sieben Bereichen helfen (Verkehrsrouten, Flüge, Sport, Orte in der Nähe, Reisen, öffentlicher Personennahverkehr und Wetter). Inzwischen sind es schon mehr als 70 Bereiche, in denen Google Now mit Rat und Tat zur Seite steht. Und mit jedem Bereich mehr, vervollständigt sich das Puzzle und die Nutzung von Sprachassistenten wird immer selbstverständlicher. Die Auswirkungen werden natürlich enorm sein und in die verschiedensten Lebensbereiche eingreifen. Nachfolgend möchte ich mich darauf konzentrieren, was die Nutzung von Sprachassistenten für die Suche bedeuten könnte.
Die Suche hat und wird sich verändern
Das sich die Suche zwangsläufig verändern wird, muss einem klar werden, wenn man mal betrachtet, wie der User im Laufe der Zeit immer mehr entmündigt wurde. Musste man zu Zeiten von Webkatalogen und Linklisten noch selbst bestimmen, welche Seiten besonders passend waren, nahmen das die Suchmaschinen größtenteils ab und wurden im Laufe der Zeit mit ihren Algorithmen immer besser. Definitiv eine wichtige Weiterentwicklung im Sinne des Anwenders. Dann aber schlugen die Suchmaschinenbetreiber Wege ein, bei denen man nicht mehr sicher sein konnte, ob diese wirklich nur dem Wohl des Users galten. Autocomplete und personalisierte Suchergebnisse griffen in den Suchprozess ein, ohne das es vielen Usern überhaupt klar war. Findet dieser Veränderungsprozess nun seinen Höhepunkt, bei dem die Suchmaschinen überhaupt keine Suchergebnisse mehr anzeigt, sondern lediglich nur noch ein Ergebnis ausspuckt?
Sprachassistenten erfordern die perfekte Antwort
Tatsächlich scheint es unmöglich zu sein, dass Sprachassistenten gleich eine ganze Liste von möglichen Ergebnissen vorlesen und dem User dann die Wahl lassen, welche Seite er besuchen möchte. Der User möchte das gar nicht, er möchte eine sofortige und klare Antwort auf seine Frage. Allerdings sind Suchmaschinen ja ursprünglich nicht als Antwortmaschinen gedacht worden, sondern viel mehr als ein Werkzeug um die Antwort zu finden. Wer sich aber einmal Googles Knowledge Graph Bemühungen anschaut und auch Facebook hat ja entsprechende Ansätze, der wird erkennen, dass schon heute Google den Schritt von einer Suchmaschine zu eine Antwortmaschine durchläuft. Durch strukturierte Daten ist die perfekte Antwort nur eine Datenbankabfrage entfernt und der Wissensschatz wächst täglich. Somit wird Google und andere Suchmaschinenbetreiber schon in naher Zukunft auch zu komplexen Fragen eine mindestens zufriedenstellende Antwort liefern können.
Das Online-Ökosystem steht auf dem Spiel
Doch was wären die Auswirkungen, falls sich Sprachassistenten wirklich im Alltag durchsetzen können? Sollte durch das damit verbundene geänderte Medienverhalten auch ein Abgang von den Bildschirmen mit einhergehen, dann droht der Kollaps unseres heutigen Online-Ökosystems. Die bisherigen Inhaltlieferanten würden nämlich dann keine/weniger Besucher auf ihre Online-Präsenzen erhalten, da die Suchmaschinen die aggregierte Daten direkt ausgeben, ohne den Nutzer auf die Quelle weiterzuleiten. Folgende Situation, ich stehe in der Küche und möchte einen Schokoladenkuchen backen. Smartphone raus, „Ok Google, gib mir bitte das leckerste Schokoladenkuchen-Rezept“ und schon bekomme ich erst einmal die Zutaten gesagt, falls etwas fehlt, bestellt das Google natürlich gleich und dank Express-Drohnenlieferung habe ich 15 Minuten später dann auch alle Zutaten vorhanden und Google geht mit mir Schritt für Schritt den Kuchenback-Prozess durch. Einen Grund auf die Seite zu gehen, woher das Rezept stammt habe ich gar nicht mehr.
Schon heute sieht man, wie Google systematisch bestimmte Geschäftsmodelle überflüssig macht. Eine Rezeptseite würde ich beispielsweise heute nicht mehr starten, da Google schon jetzt die Zubereitung von Cocktails anzeigt: https://www.googlewatchblog.de/2015/03/prost-google-knowledge-graph/. Auch andere Schritt-für-Schritt Anleitungen zeigt Google inzwischen an, wie beispielsweise das Einrichten einer E-Mail-Adresse bei einem bestimmten Anbieter.
Durch die Forcierung der Auszeichnung von Daten machen sich Informationsanbieter auf die Dauer gesehen selbst überflüssig. Dabei beschränkt sich diese nicht nur auf reine Informationsseiten, sondern schon Schritt-für-Schritt Anleitungen aggregiert Google und gibt diese aus. Doch was passiert, wenn für die Inhaltersteller wirklich keinen Anreiz mehr gibt, Informationen zu veröffentlichen. Die Suchmaschinen würden sich einem Meer bedienen, das nach und nach austrocknet. Möchte man sich Dystopien hingeben, dann könnte man auf die Idee kommen, dass sich Google doch noch mit den großen Verlagshäusern der Welt einigt oder selbst in die Informationskreation einsteigt und die heutige vielfältige Webwelt in Zukunft durch wenige kommerzielle Anbieter dominiert wird. Ganz nach dem Motto: Back to the roots und ab in die frühere Informationsmonopolisierung – aber das ist ein anderes Thema. Fakt ist, dem freien Wissen wird solch eine Entwicklung definitiv nicht nützen.
Auch Googles Geschäftsmodell steht auf dem Spiel
Doch auch die Suchmaschinenbetreiber selbst müssten sich überlegen, wie sie mit dem neuen Nutzungsverhalten überhaupt noch Geld verdienen können. Immerhin verdient z.B. Google momentan eine Großteil seiner Einnahmen über die Werbeeinblendungen direkt über den Suchergebnissen. Bei einer reinen Sprachausgabe würde das natürlich wegfallen. Denkbar wäre natürlich, wie bei Radiowerbung, dass bevor es die Antwort gibt, der Nutzer sich erst ein bisschen Werbung anhören muss. Bei der heutigen Werbeverdrossenheit ist das aber kaum vorstellbar. Es wird sehr schwer sein, dieses Geschäftsmodell ohne Umsatzverluste einfach so zu übertragen.
Das war nun meine Meinung. Wie sieht es bei euch aus? Glaubt ihr, dass Google (vielleicht auch gezwungen sein wird) die Suchergebnislisten in naher Zukunft komplett abzulösen? Und falls ja, wie könnte man die Nutzung der zukünftigen Such- bzw. besser Antwortmaschinen aussehen? Wie finanzieren sie sich? Ich freue mich über eure Kommentare und Meinungen!
Fakt ist doch, dass wir Seitenbetreiber schon die ganze Zeit an Googles langem Arm hängen und diese Abhängigkeit in Zukunft umso schlimmer wird, wenn nicht ein anderes neues Unternehmen aufkommen wird, das Google verdrängt und komplett neue Spielregeln mit sich bringt. Ob Google uns Betreibern von Websites wirklich komplett überflüssig macht ist natürlich ein schon sehr dystopischer Ansatz, aber wer weiß …
Auf jeden Fall ist deshalb schon heute die richtige Zeit, wie man sich von Google löst, wie man vermeidet, dass Google das eigene Geschäftsmodell in sich ein verleibt, einfach wie man eine möglichst große Distanz zu Google aufbaut. Ist natürlich eine schwere Aufgabe, aber lieber macht man sich jetzt Gedanken und die ersten Schritte, bevor es nachher zu spät ist …